Am Anfang war es Kinderspiel
Manu Ming und Bea Omlin-Ming sind die Macherinnen hinter Allerlei Impro. Als Kinder haben sie mit den Geschwistern Theater gemacht; haben die Familie und vor allem beim Spielen sich selbst gut unterhalten. Die beiden Frauen machten Schultheater, wirkten beim klassischen Theater mit und singen auch heute noch im Chor. Die Begegnung mit dem Improvisations-Theater faszinierte und begeisterte beide so sehr, dass sie sich schließlich ganz und bis heute auf dieses Spiel “ohne Netz” und doppelten Boden” eingelassen haben.
Daneben engagieren sie die beiden Ming-Schwestern mit einer jährlichen Benefizshow für Waisenkinder im Himalaya. Und – ganz neu und frisch im Plan ab 2018: Sie wollen ihren Beitrag zu einer gelingenden Inklusion geben. Im ersten Halbjahr wird es darum mehrere Workshops für beeinträchtigte Menschen geben. Dies geschieht dann in Zusammenarbeit mit dem Bildungsclub der Pro Infirmis, Luzern.
Theater mag ich – Improvisieren kann ich 😉 – Inklusion finde ich gut – die Schweiz ist wunderschön … noch mehr Gründe braucht es wirklich nicht, um die Macherinnen von Allerlei Impro zum BeraTina – Interview einzuladen.
Herzlich willkommen, Manuela Ming!
Manuela, seit 2005 machst du zusammen mit deiner Schwester Impro-Theater. Wie weit war der Weg vom heimischen Wohnzimmer mit den ersten Familienvorstellungen zu regelmäßigen Vorstellungen in und für die Öffentlichkeit. Wann war da der Moment, wo ihr gesagt habt: „Damit gehen wir raus?“
Der erste halböffentliche Auftritt war eine Werkshow im Jahr 2006 als Abschluss der ersten zehn Kursabende. Im Publikum saßen Verwandte, Bekannte und Freunde von uns, zum Teil auch Kursteilnehmer*innen. Also ein Publikum, welches uns allen wohlgesonnen war. Ich schätze, wir waren damals ziemlich “schlecht”. Uns wurde trotzdem applaudiert. Schade, dass es damals keine Videoaufnahmen gab. Der Vergleich zu heute wäre sicher interessant!
Während der gut zweijährigen Ausbildung zur Improvisationsschauspielerin gab es nach jedem Semester eine Werkshow. Wir wurden besser, das Publikum und die Bühne dementsprechend grösser. Rückblickend waren die Werkshows tolle Gelegenheiten, um vor Zuschauer spielen zu können. Das half uns sehr, den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen.
Impro -Theater ist Theater der besonderen Art.
Kein Skript, kein Textlernen, keine Regieanweisungen. Wie gelingt trotzdem eine zumindest halbwegs zusammenhängende Szene?
Es gibt Techniken wie Storytelling, Plattform – Problem – Lösung. Mit der Zeit entwickelten wir ein Gespür für Szenen, das Timing und das Szenenende.
Ein Beispiel: Es ist wichtig, das Ende zu erkennen und nicht endlos weiter zu spielen. Eine gute Szene kann übel enden, wenn das Ende überspielt wird. Und ja, das kann passieren! In einer der ersten Werkshows hätten wir die Szene etwa 3 x beenden können und auch gleich beim ersten Mal beenden sollen 🙂
Als Zuschauer fühlt sich das so an: Man will klatschen (einige tun das vielleicht sogar) … aber die Szene geht einfach weiter.
Improvisationstalent – Spielfreude – Konzentration
Ich stelle mir vor, dass neben einer gehörigen Portion Improvisations-Talent und Spielfreude auch viel Konzentration nötig ist, um im Dialog mit dem Mitspieler eine Geschichte mit unbekanntem Ausgang zu spielen. Ist es von Vorteil, wenn man sich gut kennt? Weiß, wie der andere tickt und welche Vorlieben er hat?
Ich finde es hilfreich, ja. Es ist allerdings kein Muss. Es kann genauso spannend sein, mit unbekannten Spielern zu spielen. Meine Schwester Bea Omlin-Ming und ich schaffen es nach all den Jahren immer noch, uns gegenseitig zu überraschen. Wir lieben beide die Momente, wo einem fast der Kinnladen runterfällt und man denkt: „Was für eine großartige, lustige, verrückte Idee! – oder einfach “WAAAAAS?“
Wichtiger ist es, dass ich mich zu 100 Prozent auf den Mitspieler und/oder die Mitspielerin verlassen kann. Er oder sie mich nicht hängen lässt und eingreift, wenn eine Szene den Bach runter rauschen will oder die Moderation stockt. Improvisationstheater ist Teamwork!
Klassik vs. Improvisation
Ihr kommt beide vom klassischen Theater spielen. Da ist improvisieren zwar nicht gerne gesehen, aber hin und wieder ja auch nötig. Zum Beispiel, wenn der Kollege den Text vergessen hat oder leider schon zwei Szenen weiter ist. Ist das Lampenfieber geringer, und generell vielleicht sogar ein Vorteil, wenn man weißt, dass man prima improvisieren kann?
Es ist definitiv ein Vorteil! Sowohl meine Schwester Bea als auch ich spielen sporadisch immer noch klassischen Theaterproduktionen mit. Meine Schwester mehr als ich. Aktuell probt sie auch wieder ( mit TheaterWärch Stans). Wir stellen beide immer wieder fest, dass wir viel weniger von Lampenfieber geplagt sind und weit gelassener auf die Bühne gehen können. Wir wissen, egal was kommt, wir können improvisieren und so uns oder andere retten.
Ausbildung Improvisationstheater – Schauspielerin
Du hast neben diversen Workshops eine 2jährige Ausbildung zur Improvisationstheater-Schauspielerin absolviert. Was waren die Inhalte?
Der Ausbildungsweg in der Improvisationsschule bestand aus vier Stufen:
- 1. Stufe: Grundlagen der Improvisation, Vertrauen und Mut, Regelspiele, Atmosphäre, Bühnenpräsenz.
- 2. Stufe: Körperarbeit, Figur, Storytelling, improvisierter Gesang.
- 3. Stufe Storytelling, Schnitttechniken, Mittelformate, Genrespiel, improvisierter Gesang.
- 4. Stufe: Dramaturgie, Langformate, schwierige Regelspiele, Schnitttechnik, improvisierter Gesang plus vier Werkshows.
Soziales Engagement
Ihr macht unter anderem auch Benefiz-Veranstaltungen und engagiert euch mit dem Impro-Theater mit einem inklusiven Projekt. Wie kam es dazu?
Bea und mir sind unsere sozialen Engagements eine Herzensangelegenheit. Nachdem ich das Tagebuch einer Sikkim-Reise von Heidy Müller zu “ihren” Kindern in den Kinderheimen gelesen hatte, wollte ich da unbedingt mit Allerlei Impro etwas machen. Meine Schwester war sofort einverstanden und so kam es, dass wir seit 2016 für Rosa World Wide (Link am Ende des Beitrags) eine Benefizshow organisieren und spielen.
Im Herbst 2017 gab ich für den Bildungsklub, Pro Infirmis einen QiGong- und einen PC-Kurs für beeinträchtigte Menschen. Da reifte die Idee, für Menschen mit Lernbehinderung oder kognitiver Beeinträchtigungen auch Impro-Workshops anzubieten. Gerade weil es sich um Improvisationstheater handelt, können wir die Kursinhalte optimal und spielerisch auf unsere Kursteilnehmer*innen anpassen.
Bei bis jetzt zwei Produkten unseres Impro-Shops berücksichtigen wir bei der Herstellung das Atelier der Arche Burgdorf, einer sozialtherapeutischen Institution für Menschen mit Beeinträchtigungen.
Wir freuen uns, einen Beitrag zum Thema Inklusion leisten können.
Gründe und Input-Karten für das Impro-Theater-Spiel für alle
Dann bin ich noch auf eure Input-Karten gestoßen. Wie macht Impro-Theater mehr Spaß: Mit Input durch die Kärtchen oder aus der Stimmung des Publikums heraus? (ich ahne die Antwort 😉
Spontan beides! Aus einem scheinbar „langweiligen“ Input kann eine großartige Szene entstehen und umgekehrt. Es liegt an uns. Die besten Shows entstehen, wenn das Publikum und wir uns gegenseitig beflügeln. Der Drive, der dabei entstehen kann, ist ganz große Klasse!
Warum sollten alle Menschen irgendwann einmal Impro-Theater machen oder zumindest mal eine Vorstellung von euch gesehen haben?
Wir spielen unglaublich gerne und mit grossen Spass Impro! Dieser Funke springt auf das Publikum über. Das muss man erlebt haben.
Impro-Theater mal auszuprobieren, empfehle ich allen spontanen Menschen. Ideal für den Einstieg ist ein Tages- oder Wochenendworkshop.
Entspannung
Last: Ich weiß, wie anstrengend ein Abend auf der Bühne und vor Publikum sein kann. Ich hab auch ein paar Jahre im Ort in der Theatergruppe mitgewirkt. Auf der einen Seite ist man voller Adrenalin, auf der anderen Seite tun einem hinterher alle Knochen weh – die Anspannung steckt einfach überall. Wie entspannst Du nach einem Theaterabend?
Bea und ich tauschen uns immer nach einer Show aus, meistens auf dem Nachhauseweg. Wir lassen den Abend nochmals Revue passieren und schauen: Was ist gut gelaufen und was nicht so? Reaktionen des Publikums, Rückmeldungen etc.
Eine lustige Anekdote: Nach einem Auftritt waren wir mal so ins Gespräch vertieft, dass wir uns verfahren haben!
Ich persönlich übe seit einigen Jahren QiGong und mir hilft das sehr dabei nach einer Show wieder runter zu fahren.
Liebe Martina, herzlichen Dank, dass Du mich zum Interview eingeladen hast. In meinem Blog interviewe ich auch und fand es toll, mal die Interviewte zu sein.
Liebe Manuela! Von Herzen gerne – ich fand es unglaublich kurzweilig. Und sollte ich mal in der Nähe sein – ich werde mir ganz sicher eine eurer Shows ansehen.
Ich wünsche euch ganz viel Erfolg bei allem, was ihr schon tut, noch plant und demnächst oder irgendwann umsetzen und anstoßen werdet.
Und jetzt für alle, die mehr wissen wollen, ganz viele Möglichkeiten, sich weiter zu informieren (beispielsweise auch über Workshops) :
Impro und Inklusion – Ein Interview mit Regina Köpfli, Leiterin Bildungsklub, Pro Infirmis Luzern
Allerlei Impro – Zuhause in der Schweiz
Allerlei Impro auf facebook
Alle Fotos und das Logo wurden mir freundlicher Weise von Manuela für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt. Sie unterliegen dem gültigen Urheberrecht!
5 Kommentare zu “Allerlei Impro (-Theater )”