Der Bücherwurm
(c) Martina Decker 2017
Ein Frühlingstag – die Sonne schien
am Himmel sah man weiße Wölkchen ziehn
da grub aus einem Kompost sich
ein kleiner Wurm hinaus ans Licht.
Geblendet lag er regungslos -
doch nur für eine kurze Weile.
Sein Hunger, der war ziemlich groß
und trieb den Wurm zur Eile.
Doch wollten ihm die Blätter gar nicht munden,
auch einen Apfel, den verschmähte er;
ein Käsestückchen - dort gefunden,
das stank ihm viel zu sehr.
Probierte – aus Versehen wohl -
auf seinem Weg zum Blumenkohl
dann einen kleinen Fetzen Altpapier.
„Ja, das schmeckt mir!“,
rief er und freute sich
„Das ist genau das Richtige für mich!“
Ein andrer Wurm, der sich grad gütlich tat
an einem faulig braunen Kopfsalat,
sah ihn mit Unverständnis an
und meinte dann:
„Du bist kein Wurm, wie wir es sind -
verzieh dich und verschwind'!“
Da mischt' ein dritter, alter Wurm sich ein:
„Wie kann man nur so garstig sein?
Sei still, der Kleine hat sich nur verirrt.
Ich hab von dieser Art schon mal gehört.
Die fressen nur, was irgendwo geschrieben steht
in Zeitung, Büchern, Internet.
Ihr Lebensraum ist eine Leseecke
mit Sessel, Kissen, Kuscheldecke
wo dicht gedrängt ein Buch am andren ist
und Zeit sich selbst vergisst.
Wo Gutes über Böses siegt,
stets der gewinnt, der wahrlich liebt.
Wo Wort an Wort Geschichten schreibt
und wo mit jedem Wort Geschichte bleibt.
„Komm schon zum Ende“, unterbricht
der andre Wurm sehr ungehalten,
„der ganze Quatsch, der interessiert mich nicht“,
sagt er gelangweilt zu dem Alten.
„Es kurz zu machen ist doch gar nicht schwer:
Das fremde Würmchen da gehört einfach nicht her!“
Der Alte schüttelt traurig nur den Kopf
„Was bist du für ein Wurmbanause?
Eine armer, dummer Tropf …
Komm, Kleiner schnell – ich bring dich jetzt nach Hause
zur Bücherei am Kirchenplatz
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Der Bücherwurm
(c) Martina Decker 2017
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