Bestes Glasmusik
© Martina Decker
Heute muss alles perfekt sein. Das „Sepp“, ein kleines Restaurant im Hinterland von Venedig, feiert sein erstes Oktoberfest.
Sabine schaut über die eingedeckten Tische. Weiße Decken, rustikales Besteck, blau-weiße Fähnchen zwischen künstlichem Edelweiß und üppigem Grün. „Luigi, da fehlen noch die Servietten“, weist sie den Kellner an. „schnell – schnell bitte!“
Die Reisegesellschaft aus Schwabing wird jeden Moment eintreffen. „Verdammt! Wo ist der Musiker? Der müsste doch schon längst da sein.“
„Si si, kommen gleich“, antwortet Luigi im Vorbeischlendern.
Als er mit einer Handvoll Serviettenspendern wieder die Terrasse betritt, ist er in Begleitung eines Mannes. „Signora Sabine. Meine Cousin Frederico. Il musicista!“
„Na endlich! Aber … wo ist denn Ihre Tracht?“
„Prego?“
„Sie wollen doch nicht so … also, das geht auf keinen Fall!“ Sabine schüttelt missbilligend den Kopf. Der untersetzte Mann trägt eine verwaschene Twillhosse und einen Blouson in einem ebenso verblassten Blau. Beide Teile haben ihre besten Jahre schon lange hinter sich. Und das Flanellhemd ist realistisch betrachtet ein Stück für den Altkleidersack.
Immerhin sieht er sonst ganz gepflegt aus. „Ich hole Ihnen was von meinem Mann.“
Frederico schaut sie unverständig an.
„Bauen Sie erstmal auf.“ Sabine drängt an den beiden Männern vorbei und eilt in die über dem Restaurant liegende Wohnung. Durch das geöffnete Fenster dringen die unverkennbaren Gesänge einer gut gelaunten, deutschen Touristengruppe. Hektisch greift Sabine ein weißes Hemd und den Trachtenhut ihres Mannes. „Das muss reichen!“, murmelt sie gehetzt. “Die Lederhose suche ich jetzt nicht.”
Am Empfang lärmen bereits die ersten Gäste. Sabine grüßt lächelnd, huscht vorbei und bleibt am Eingang zur Terrasse wie vom Donner gerührt stehen. Der Mann, Frederico, steht leicht vornübergebeugt vor einem kleinen Tisch, der vollgestellt ist mit unterschiedlich großen und kleinen Gläsern. Seine Finger kreisen gekonnt über die Ränder, entlocken dem Glas helle, wispernde, manchmal auch schrille Töne.
„Großes Künstler – magnifico.“ Luigi grinst breit und stolz ob des Könnens seines Cousins.
Sabine starrt Luigi an.Sie schluckt hart, dann meint sie heiser: „Ich wollte Blasmusik.“
„Si si“, Luigi nickt eifrig. „Frederico macht bestes Glasmusik von Welt.“
Beitragsfoto Pixybay
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen...
Bestes Glasmusik
© Martina Decker
Heute muss alles perfekt sein. Das „Sepp“, ein kleines Restaurant im Hinterland von Venedig, feiert sein erstes Oktoberfest.
Sabine schaut über die eingedeckten Tische. Weiße Decken, rustikales Besteck, blau-weiße Fähnchen zwischen künstlichem Edelweiß und üppigem Grün. „Luigi, da fehlen noch die Servietten“, weist sie den Kellner an. „schnell – schnell bitte!“
Die Reisegesellschaft aus Schwabing wird jeden Moment eintreffen. „Verdammt! Wo ist der Musiker? Der müsste doch schon längst da sein.“
„Si si, kommen gleich“, antwortet Luigi im Vorbeischlendern.
Als er mit einer Handvoll Serviettenspendern wieder die Terrasse betritt, ist er in Begleitung eines Mannes. „Signora Sabine. Meine Cousin Frederico. Il musicista!“
„Na endlich! Aber … wo ist denn Ihre Tracht?“
„Prego?“
„Sie wollen doch nicht so … also, das geht auf keinen Fall!“ Sabine schüttelt missbilligend den Kopf. Der untersetzte Mann trägt eine verwaschene Twillhosse und einen Blouson in einem ebenso verblassten Blau. Beide Teile haben ihre besten Jahre schon lange hinter sich. Und das Flanellhemd ist realistisch betrachtet ein Stück für den Altkleidersack.
Immerhin sieht er sonst ganz gepflegt aus. „Ich hole Ihnen was von meinem Mann.“
Frederico schaut sie unverständig an.
„Bauen Sie erstmal auf.“ Sabine drängt an den beiden Männern vorbei und eilt in die über dem Restaurant liegende Wohnung. Durch das geöffnete Fenster dringen die unverkennbaren Gesänge einer gut gelaunten, deutschen Touristengruppe. Hektisch greift Sabine ein weißes Hemd und den Trachtenhut ihres Mannes. „Das muss reichen!“, murmelt sie gehetzt. “Die Lederhose suche ich jetzt nicht.”
Am Empfang lärmen bereits die ersten Gäste. Sabine grüßt lächelnd, huscht vorbei und bleibt am Eingang zur Terrasse wie vom Donner gerührt stehen. Der Mann, Frederico, steht leicht vornübergebeugt vor einem kleinen Tisch, der vollgestellt ist mit unterschiedlich großen und kleinen Gläsern. Seine Finger kreisen gekonnt über die Ränder, entlocken dem Glas helle, wispernde, manchmal auch schrille Töne.
„Großes Künstler – magnifico.“ Luigi grinst breit und stolz ob des Könnens seines Cousins.
Sabine starrt Luigi an.Sie schluckt hart, dann meint sie heiser: „Ich wollte Blasmusik.“
„Si si“, Luigi nickt eifrig. „Frederico macht bestes Glasmusik von Welt.“
Beitragsfoto Pixybay
Teilen mit:
Gefällt mir: