Wolfskind

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Worum geht’s?

 

Fehlende, soziale Kontakte – Gewalt – Isolation… Kinder, die so aufwachsen, nennt man auch “Wolfskinder”.

Auf dem Gelände des E-Centers in der Kurstadt Bad Kreuznach greifen die beiden Kriminalbeamten Berger und Süß einen augenscheinlich verwirrten jungen Mann auf. Eine erste ärztliche Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass der Mann sowohl kognitiv als auch motorisch in etwa auf dem Stand eines Vierjährigen ist. Da die Behinderungen eindeutig nicht angeboren sind, kommt bei den behandelnden Ärzten der Verdacht auf, dass er ein “Wolfskind” sein könnte. Zusammen mit der örtlichen Presse und Radio Antenne Bad Kreuznach versuchen die Beamten, die Identität des Jungen zu klären. Schließlich kommen Hinweise aus Simmern, Bingen, Obermoschel und Bretzenheim, die die Ermittlungen voran bringen und an deren Ende eine ungeahnte Familientragödie steht.

 

Leseprobe

 

…Der Arbeitstag im Bretzenheimer Gewerbegebiet ging zu Ende. Männer und Frauen hasteten aus den Ausgängen zu ihren Fahrzeugen. Die schweren Tore der Betriebsgelände wurden geschlossen. Nach und nach erloschen die Lichter hinter den Fenstern der Bürogebäude.

„Tschüss dann, bis morgen!“ rief ein Mann und eine Frau antwortete: „Danke! Schönen Feierabend auch.“ Sie ging den Gehweg entlang hoch zur Hauptstrasse. Ihre Absätze klapperten auf dem Asphalt.

Für die unterschiedlichen Gebäude neben dem Weg hatte sie schon lange keinen Blick mehr. Sie wusste, welche Firmen sich dahinter verbargen und mancher Mitarbeiter war ihr allein vom Sehen so vertraut, dass sie einander grüßten.

Nur das kleine, baufällige Einfamilienhäuschen, das wie hingeworfen zwischen den Lagerhallen stand, betrachtete sie fast jeden Tag.

Jetzt hantierte hinter einem der einfachen Fenster eine Frau mit Geschirr. Im Schein der Lampe war die kleine Küche deutlich von der Straße aus zu erkennen. Als hätte sie bemerkt, dass man sie beobachtete, unterbrach die Frau ihre Arbeit und trat ans Fenster. Für den Bruchteil einer Sekunde trafen sich die Blicke der beiden Frauen. Eilig wurde der Vorhang zugezogen und die Frau auf der Straße ging weiter. Sie fühlte sich ertappt und schämte sich für ihre Neugier.

Die Bäckerei am Ende der Ausfallstraße hatte noch geöffnet. Die Verkäuferin hinter der Theke strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. und sah den davon eilenden Passanten und den vorbei rauschenden Wagen nach. Sie seufzte. Ihre Schicht würde erst in zwei Stunden vorbei sein. Mancher kam auf seinem Weg nach Hause noch schnell herein, um ein Brot zu kaufen. Am Boden stand ein kleiner Eimer mit Putzwasser. Die Regale mussten noch ausgewischt und die beiden Stehtische gegenüber der Theke gesäubert werden. Die Kunden standen gerne an diesen Tischen. Morgens tranken sie dort eine Tasse frisch gebrühten Kaffee und aßen ein Teilchen. Meist waren es Monteure oder Frauen, die sich beim Einkauf eher zufällig getroffen hatten und dann auf einen Plausch blieben. Mittags kamen die Büroleute und aßen ein belegtes Brötchen. Sie tranken Latte oder Cappuccino und beklagten sich täglich, dass ihre Pause dafür eigentlich viel zu kurz war. Abends brauchte die Stehtische niemand. Keiner wollte sich noch lange aufhalten. Ohne Eile nahm die junge Frau den Lappen, drückte ihn aus und ging auf die Tische zu.

„Guten Abend!“ Eine Kundin kam in den Laden. „Kann ich noch einen Kaffee haben?“

Die Verkäuferin nickte überrascht. Flüchtig wischte sie über die Tischplatte. „Bitte schön!“

„Wissen Sie“, meinte die Frau ein paar Minuten später. „Eigentlich säße ich jetzt schon im Bus. Aber ich habe getrödelt!“

Macht doch nichts!“ In das mahlende Geräusch des Kaffeeautomaten hinein fragte sie: „Wollen Sie auch was essen?“

Die Kundin schüttelte den Kopf und sah zum Fenster hinaus. „Haben Sie schon mal das kleine Häuschen ein Stück weiter oben gesehen? Dass da überhaupt noch jemand drin wohnen darf…“

„Heute ist man doch schon froh, wenn man überhaupt ein Dach über dem Kopf hat“, meinte die Verkäuferin unverbindlich und stellte den Kaffee auf den Tisch.

„Ja, vielleicht haben Sie Recht!“ entgegnete die Frau. „Kann ich bitte gleich bezahlen? Sonst verpasse ich den nächsten Bus auch noch!“…

*

…In der kleinen Küche roch es nach Sellerie und Zwiebeln. Magda arbeitete

sorgfältig und schnell; würfelte Karotten und Kartoffeln und briet alles leicht an. Mit einem lauten Zischen verdampfte ein Teil des Wassers, als sie das Gemüse angoss.

Aus dem Gefühl heraus beobachtet zu werden, trat sie an das Fenster. Auf dem Gehweg vor dem Haus stand eine Frau. Sie trug ein schickes dunkelblaues Kostüm und hatte eine große Aktentasche in der Hand. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Augenblick. Erschrocken zog Magda die Gardine zu und sah im Schutz des Vorhangs, dass die Frau eilig weiter ging. Erleichtert wandte sie sich wieder dem Kochen zu. Das Blubbern der köchelnden Suppe war das einzige Geräusch in dem sonst stillen Haus. Magda hatte gelernt sich fast lautlos zu bewegen. Herbert mochte es nicht, wenn sie mit dem Geschirr klapperte.

„Meine Kunden machen genug Lärm. Zuhause will ich meine Ruhe haben!“ hatte er ihr schon vor langer Zeit unmissverständlich zu verstehen gegeben. Das galt natürlich auch für ihre Jungs. Daher verbrachten die beiden die meiste Zeit in dem kleinen Zimmer im Dachgeschoss.

Manchmal erlaubte Herbert ihnen auch, sich zu ihm ins Wohnzimmer zu setzen. Dann schaltete er den Fernseher an und zeigte ihnen die Filme für richtige Männer…

 

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